Die mit den Kühen spricht

Greta Garbo, Ella Schlappohr und Leni heissen ihre Schützlinge. Von diesen spricht sie liebevoll nur als ihren «Damen». Herr Schröder ist der einzige Mann von der Partie. Aus der Reihe tanzt Ziege Wilhelmina mit ihren Starallüren.

Erzählt Geschichten von ihrem Leben auf der Alp: Ute Lohmeyer im Stadtpark. (Bild: Urs Bucher, Quelle: tagblatt.ch)

Erzählt Geschichten von ihrem Leben auf der Alp: Ute Lohmeyer im Stadtpark. (Bild: Urs Bucher, Quelle: tagblatt.ch)

Die Rede ist von einer Herde Rindern inklusive frecher eingebürgerter Ziege, die Älplerin Ute Lohmeyer am Freitagabend im Frauenpavillon mit Fotos und Filmchen vorstellt. Die gelernte Medizinerin hat ihrem Beruf zurzeit den Rücken gekehrt und verbringt seit drei Jahren den Sommer auf der Trützi-Alp im Wallis auf einer Höhe von 2000 Metern. Dort hütet sie in der Abgeschiedenheit der Berge 39 Jungrinder. Ende Sommer kehrt sie zurück ins Tal, wo sie sich im Obergoms auch im Winter um die Tiere kümmert.

Intensive Intensivmedizin

Ursprünglich ist die 51jährige Deutsche gelernte Intensivmedizinerin. Bis vor drei Jahren hat sie am Universitätsspital Zürich als Oberärztin gearbeitet, im Kantonsspital St. Gallen die Ausbildung zur Anästhesistin absolviert. Sie sei erschöpft gewesen von der Arbeit, die sie als Ärztin in der Intensivstation der Klinik ausgeführt hatte. Mühe bereitet hätten ihr vor allem die fehlenden Relationen in der westlichen Medizin: «Es geht oft gar nicht mehr um den Menschen und der Patient versinkt unter den Maschinen.» Sie habe eine Pause gewollt, um raus aus der Unruhe zu kommen, «zu schauen, was noch da ist», wie sie sagt. Burn-out ist ein Wort, das ihr nicht gefällt. «Aber ich bin kurz vor etwas Ähnlichem gewesen.» Braungebrannt, gut gelaunt und mit schnellem Mundwerk, sieht man ihr das heute nicht mehr an.

Von der Alp und dem Alleinsein

Zur Erholung sollte es in die Berge gehen, aber nicht ohne Arbeit. «Ich hatte grosse Angst vor dem Alleinsein und wusste nicht, ob ich es mit mir selber aushalte», sagt sie. Abgesehen vom Lebensnotwendigen zog sie, nur mit Tagebuch und Älpler-Handbuch ausgerüstet, «z'Alp». Dort lebt die Medizinerin nun in einer kleinen Steinhütte am Hang, als Kühlschrank und Dusche dient der nahe Bach. Hüten, Zäune imstand halten und Rinderpflege stehen auf dem Programm. Langweilig wurde es ihr bis jetzt nicht. «Ich habe oft tagelang nur beobachtet, was um mich herum geschah.» Entdeckt habe sie dabei, dass sie sich selber genug sei und das Alleinsein sogar sehr geniesse.

Die Liebe zum Kuhleben

Nach anfänglicher Angst hat sich Lohmeyer auch mit ihren Rindern angefreundet: «Ich habe mich total in die Vierbeiner verliebt.» Besonders fasziniert sei sie von deren Wesen und ihrer non-verbalen Kommunikation: «Für mich sind sie Persönlichkeiten.» Und weil sie ihre Rinder inzwischen so gut kennt, weiss sie über die Eigenart von jedem einzelnen zu berichten. Kalb Leni büxt zum Beispiel gerne unterm Zaun hindurch aus, während Kollegin Valenzia «Wache» steht. Greta Garbo kommt lieber nicht mehr zu nahe, weil sie sich an eine schmerzhafte Verarztung ihres Hinterbeins erinnert. Zugehen tue es bei ihr wie in einer Schulklasse im Teeniealter. Die Tiere seien ihr so ans Herz gewachsen, dass sie sich ständig um deren Wohlergehen sorge. Wie lange das Leben auf der Alp weitergehen soll, weiss Lohmeyer noch nicht. Verständnis erntet sie für ihren Lebenswandel nicht von allen. «Aber wenn ich im Moment nach meinem Beruf gefragt werde, sage ich immer, ich sei Älplerin.»

Quelle: Simone Buff @ tagblatt.ch

Ute LohmeyerMedBrander